Erfahrungsberichte und Tipps von und für ein Studium an der UFPR, Curitiba
Von Paulus Guter, Stipendiat Juli bis Dezember 2018
Ein Auslandsstudium in Curitiba benötigt definitv eine umfängliche Vorbereitung, deutlich umfänglicher als ein Erasmus Programm, aufgrund von Währung, Visum und Kultur. Auch wer ein
klischeehaftes Auslandssemester in Form von Party machen will, dem sei von Curitiba abgeraten, denn die internationale Szene hier ist sehr klein (ca. 50 internationale Studenten gleichzeitig).
Wer jedoch wirklich die Absicht hat zu Studieren – wie auch ich sie hatte – dem kann ich die UFPR ans Herzen legen. Die UFPR ist eine der besten Universitäten Lateinamerikas, hat dennoch eine
sehr persönliche Betreuung. Vergleichbar ist sie vom Profil her vielleicht mehr mit einer deutschen Hochschule, da der Fokus deutlich mehr auf Anwendung und Praxisbezug ist als an der FAU und die
Kurse klein, normalerweise 5-40 Personen.
Gute allgemeine Auskünfte lässt sich hier finden: http://internacional.ufpr.br/portal/application-procedures/
Und eines sei noch vorweg gesagt: In Curitiba wird man nicht den Klischee-Brasilianer kennenlernen, die meisten Personen im Süden haben europäische (italienische, deutsche, polnische,
ukrainische) Vorfahren und helle Haut. Auch ist die erste Begegnung ähnlich distanziert wie in Deutschland. Zur Begrüßung geben sich Frauen einen beijo, Frauen mit Männern auch und Männer
schütteln sich die Hand. Dazu kommt, dass die meisten Personen, die Du kennenlernen wirst aus der Mittel- und Oberschicht stammen.
Zeitpunkt:
Vermutlich ist das erste Semester an der UFPR besser geeignet, da es zum einen im März beginnt und somit sich besser mit dem
Prüfungszeitraum der FAU vereinen lässt, zum zweiten, da manche Kurse auf dem ersten Semester aufbauen und zum letzten, da die warmen Tage zu Semesteranfang und nicht zur Prüfungsphase kommen.
Ankommen sollte man ca. eine Woche vor Semesterstart – was aufgrund der Erlanger Prüfungsphase zu enormen Schwierigkeiten kommen kann, um sich um Wohnung zu kümmern, erste Kontakte aufzubauen
oder den Stundenplan zusammenzubauen. Gerade die ersten Wochen und Tage sind wichtig, um neue Leute und Gleichgesinnte kennenzulernen. Die erste Semester Woche bietet die NGO REI (Rede estudantes
internacionais) eine Kennenlernwoche an, wo Workshops, Stadtführungen oder Kneipentouren enthalten sind. Leider bin ich aufgrund meines Prüfungsplanes erst am ersten Semestertag angekommen und
habe mich dann um den Besuch meiner Schwester gekümmert, wodurch ich im internationalen Umfeld am Anfang kaum Leute kennengelernt hatte.
Visum:
Der Visumsantrag ist sehr aufwendig. Teil eins muss in Deutschland geschehen und kann bei jedem Konsulat gestellt werden. Ich war
persönlich in München vor Ort (http://munique.itamaraty.gov.br/de/kontakt.xml). Man braucht: originale Geburtsurkunde,
originalen Reisepass, polizeiliches Führungszeugnis (auch das rechtzeitig bestellen!), ein Antragsformular online, ein Antragsformular offline, zwei Fotos, Nachweis über Stipendium, Nachweis über
Zusage der UFPR und Ein- und Ausreisetickets. Letzteres ist neu uns sehr ungünstig, wenn sich seine Rückreisepläne ändern. Ich habe einen Flug verfallen lassen, da sich meine Pläne geändert
haben. Ein Kommilitone hat das Visum bei der Frankfurter Botschaft beantragt, wo noch kein Ausreisenachweis erforderlich war. Tipp: Kontaktiere hier wenn möglich die Botschaft telefonisch, um zu
klären, ob ggf. auch ein Flugticket in ein Nachbarland ausreichend ist. Für die Bearbeitung bei der Botschaft sollte man ca. vier Wochen einplanen.
Der zweite Teil des Visums gestaltet sich nicht minder leichter, ist aber mit Hilfe des International Office vor Ort zu erledigen. Dafür muss man auch ein weiteres biometrisches Foto mitnehmen
und wichtig Antrag und Formulare von der brasilianischen Botschaft aus Deutschland nicht vergessen. Ich habe sie mir nachschicken lassen müssen.
Vor Ort muss man sich dann zuerst das sogenannte CPF (ähnlich Steuernummer) machen lassen, bevor man zur Polizei geht. Für einen Termin bei der Polizei hat man 90 Tage Zeit, allerdings sind diese
oftmals bis zwei Monate im Vorhinein ausgebucht, also rechtzeitig einen Termin reservieren! Verspätungen werden hier nicht geduldet. Da ich mich mit dem Fahrrad verfahren hatte, kam ich ca. fünf
Minuten zu spät und sie wollten mich nicht mehr drannehmen, einen Anderen ohne Termin jedoch schon. Nach ein wenig Betteln und Warten wurden sie gnädig. Aber besser 15 Minuten davor dasein
(deutsche Pünktlichkeit)!
Impfung:
Es sollte zumindest eine Gelbfieberimpfung abgeschlossen werden, z.B. beim Tropeninstitut in Erlangen. Auch Hepatitis A und
Tollwut habe ich impfen lassen.
Geld
Es schadet nicht ein wenig Bargeld in Euro oder Dollar mitzunehmen. Die einzige Bank, die selbst keine Gebühren für das Abheben
verlangt ist aktuell die Bradesco Bank, zwischenzeitlich ging es auch mal bei itaú. Es ist auch möglich vor Ort ein Bankkonto zu eröffnen, allerdings braucht man dafür mindestens schon das
CPF.
Desweitern kann man überall, wirklich überall mit Karte zahlen (jeden Betrag und sogar die Standverkäufer akzeptieren Karte), allerdings wurde mir eine meiner Karten gesperrt, deshalb sollte man
mindestens zwei von verschiedenen Instituten dabei haben, anbieten tut sich DKB, wobei man darauf achten sollte Aktivkunde zu sein. Das ist man das erste Jahr und danach ab dem dritten
monatlichen Zahlungseingang von 700€ in Folge, also am Besten schon rechtzeitig einen Zahlungseingang einrichten. Auch sollte man aus Kostengründen darauf achten in heimischer Währung Reais
(gesprochen heais) an der Maschine auszuwählen.
Mit dem monatlichen Stipendium kommt man gut über die Runden, wenn man clever den Wechselkurs verfolgt lässt sich noch mehr aus dem Stipendium holen.
Wenn ihr mit Karte zahlt gewöhnt euch an die Frage „debito ou credito“, denn brasilianische Karten sind gleichzeitig Giro und Kreditkarten. Auch wundert euch nicht, wenn Brasilianer mal auf Raten
zahlen, und zwar nicht nur Autos, Häuser oder Kühlschränke, sondern auch Supermarkteinkäufe, die Weihnachtsgans oder die Kleidung. Oft gibt es deshalb einen Discount wenn man sofort oder in Bar
zahlt.
Wohnung
Wohnung kann man über Airbnb mieten oder über die Facebook Gruppe „Moradia/Housing Curitiba“ finden. Lt. Homepage kann auch das
internationale Büro Auskunft erteilen. Das Prinzip der Wohnungsvergabe ist generell anders als bei uns, auch da es mehr Wohnungen zur Verfügung gibt. Das Prinzip ist: Wer zuerst kommt, malt
zuerst. Die besten Wohnungen sind also wahrscheinlich schon in den ersten Tagen weg. Nicht nur deshalb lohnt sich eine Ankunft ca. eine Woche vor Semesterbeginn.
Kurswahl
Unter http://ensalamento.c3sl.ufpr.br/ kann man einige Wochen vor Semesterbeginn die entsprechenden Kurse einsehen und sich grob
einen Stundenplan zusammenbauen. Aber Achtung, es kommt sowieso anders, entweder das Fach entspricht nicht den Erwartungen oder der Professor taugt einem nicht. Man sollte aber auf keinen Fall
den Aufwand der Fächer unterschätzen, denn diese benötigen teils sehr hohe Aufmerksamkeit während des Semesters. Die gestellten Hausaufgaben fließen ebenso in die finale Note ein, wie die
Mitterm-Prüfungen nach ca. zwei Monaten. Auch herrscht Anwesenheitspflicht, was heißt, dass man pro Fach nicht mehr wie 25% fehlen darf. Einige Professoren sehen dies nicht genau, eine
Anwesenheit kann aber dringend empfohlen werden. Neben einem Sprachkurs am CELIN (s.u.), sind vier Kurse eine gute Richtgröße, gerade auch wegen der Nachbereitung in einer anderen Sprache. Ich
selbst hatte fünf weitere Kurse, was mich teilweise ganz schön stressen lies. Die Anforderungen, der Zeitaufwand, das Niveau und die Noten variieren beträchtlich von Dozent zu Dozent. Die meisten
Fächer sind keine Selbstläufer und 1,x Ersatz für eine Anrechnung an der FAU Erlangen. Nachdem ich in den ersten zwei Wochen verschiedene Kurse aus der Informatik und Elektrotechnik angeschaut
habe, blieb ich bei folgenden fünf Kursen:
1) Aprendizado da maquina – Prof. Menotti (2,5/5 Punkten)
Letztlich war dies mein einzig verbliebenes Fach des Informatik-Departments. Der Inhalt ist sehr interessant, gut auf Folien aufbereitet und der Professor durchaus witzig. Geringe
Portuguiesischprobleme könnten ein Problem werden. Praktisch werden aber fortgeschrittene Phython-fähigkeiten gefordert bei den praktischen Laboratories. Diese stehen in keinem Zusammenhang mit
ihrem zeitlichen Aufwand. Praktisch gesehen ist das Verlangte nicht Selbstprogrammieren sondern Zusammenkopieren aus dem Internet, Lerneffekt gering. Die Prüfungen waren ja oder nein Fragen. Auf
den ersten Blick einfach, aber der Hund liegt im Detail – auch im sprachlichen. Zusammengefasst: Das Fach ist einfach zu bestehen, mit einer guten Note ist es ohne Vorkenntnisse aber kaum möglich
abzuschließen. Auch stehen Zeitaufwand und Note in keinem Verhältnis.
2) Microcontralladores – Prof. Pastro (4,5/5 Punkten)
Hier wird der Aufbau, die Funktionsweitse von Microcontrollern gelernt und praktisch einstudiert in Assembler und C. Fast jede Stunde gibt es eine verpflichtende Abgabe, welche bis zum Ende des
Tages dem Professor gemailt werden muss. Der Dozent ist ein sehr hilfsbereiter, liebenswerter Mensch, mitunter mit hohen Ansprüchen und streng, was aber keinem schadet. So hatte ich mit Mühe in
der ersten Prüfung 5/10 Punkten erhalten, in der zweiten allerdings 10/10. Man lernt sehr strukturiert die Programmierform und die Logik der Boards kennen – obwohl ich schon GSPIC belegt hatte,
habe ich sehr sehr viel gelernt und würde es als bestes meiner Fächer nennen. Zum Abschluss muss ein finales Projekt erstellt werden, was jedoch aufgrund der Prüfungen in anderen Fächern zeitlich
ein enges Korsett hat. Es empfiehlt sich frühzeitig zu beginnen – auch oder besonders mit einem brasilianischen Kollegen. Übrigens: alle Materialien (MSP und für das Projekt) müssen selbst
angeschafft oder von älteren Studenten ausgeliehen werden.
3) Radiofrequencia – Prof Artuzzi (4/5 Punkten)
Obwohl ich schon einiges Vorwissen hatte, habe ich in diesem Fach sehr viel gelernt – gerade was die praktische Anwendung angeht. Die Benotung war zu 50% Theorie und Rechnen und zu 50% praktische
Erstellung einer Mikrostreifenleiterplatine. Ich war den Mitstudenten im ersten Teil sehr überlegen, aber dringend auf Hilfe bei der praktischen Ausführung angewiesen. Durch eine kleine Gruppe
habe ich schnell alle kennengelernt und wir haben die Aufgaben meist in der Gruppe diskutieren und lösen können. Allgemein sind die Studenten und auch Professoren hier sehr hilfsbereit, man muss
sie aber fragen. Es wurden verschiedene Analysetools und das Smithdiagramm praktisch nahegebracht. Allerdings habe ich das Gefühl, dass Zusammenhänge kapieren weniger wichtig ist, als die
Funktion der Programme zu beherrschen. Auch hier gilt: für das finale Projekt frühstmöglich anfangen.
4) Instrumentacao eletronica – Prof. Parente (3,5/5 Punkten)
Ein anspruchsvolles Fach, bei dem
viele Punkte der Mikroelektronik angerissen werden. Hauptbestandteil sind die Funktionsweise von OPVs, was mir sehr geholfen hat, dieses besser zu verstehen. Man muss kurze Präsentationen
vorbereiten, die (was ich anfangs nicht wusste) benotet sind. Für die Klausuren ist es ratsam andere Studenten nach den Altklausuren zu fragen, um sie als Prüfungsvorbereitung zu rechnen. Es ist
kein Fach, um einfach eine gute Note zu erhalten, aber um einen Überblick und Zusammenhang in der Mikroelektronik zu erhalten. Der Dozent war neu, aber sehr hilfsbereit und erklärte gerne
mehrfach.
5) Circuitos digitais integrais – Prof. Oscar (2,5/5 Punkten)
Ich habe das Fach auf Empfehlung
meines Buddies gemacht, kann es aber selbst nicht weiterempfehlen. Anfangs wurden die Zusammenhänge von Transistoren zu Gattern betrachtet und analysiert, was sehr erfahrungsreich war. Es sind
während des Semesters einige aufwendige Ausarbeitungen zu erledigen, wobei ich Format und Struktur von einem Mitstudenten übernommen habe. Es war sehr zäh. Der eigentliche Grund das Fach nicht zu
belegen, ist das finale Projekt. Ich habe sehr zu kämpfen gehabt mit dem Programm und mit einer nicht besonders aktiven Partnerin, die ich aber auch nicht hängen lassen wollte, ansonsten hätte
ich das Fach aufgegeben.
Ursprünglich wollte Professor Todt (Informatik) – ein sehr netter Kerl, der gut deutsch kann und engagiert ist – einen Robotikkurs anbieten. Doch aufgrund von Systemproblemen konnte der Kurs in dieser Form nicht stattfinden. Dennoch nahmen wir an regelmäßigen Seminaren dazu teil, doch die gewünschte praktische Ausarbeitung blieb leider aus. Die Idee hat Potential und es kann sehr zu einem Kurs oder einer Forschungsarbeit mit Professor Todt geraten werden – fachlich, sprachlich wie menschlich.
CELIN
Das Sprachinstitut der UFPR bietet für Austauschstudenten kostenlose Portugiesischkurse, welche zweimal wöchentlich abends
stattfinden. Nach einem Einstufungstest in der ersten Woche wurde ich dem Niveau Pre-Intermediario zugeordnet, konnte aber nach Rücksprache mit der Lehrerin ein Level aufsteigen. Ob das die
richtige Entscheidung war, weiß ich bis heute nicht, denn letztlich bin ich in einem Kurs mit 18 Studenten gelandet, der viel zu groß war. Das Plus war, dass ich mehr Leute kennengelernt habe,
sprachlich aber hat es kaum etwas geholfen. Auch war die Lehrerin didaktisch meiner Meinung nach nicht die Beste. Der Hauptgrund zu wechseln für mich war die Uhrzeit, denn ich wollte auf einen
Kurs von 20.30-22.00 gerne verzichten. Die Prüfungen waren ziemlich einfach und sehr leicht benotet. Um das Portugiesischniveau zu steigern, sollte v.a. auf eine Kursgröße kleiner zwölf geschaut
werden.
Transport
Als bestes Verkehrsmittel hat sich auch hier für mich das Fahrrad erwiesen. Wenn es morgens nicht übermäßig geregnet hatte (was
aber schon öfters der Fall war), bin ich vom Zentrum, wo ich wohnte mit dem Fahrrad 20-25 Minuten zum Campus Politecnico geradelt. Jedoch sollte man dabei sehr aufpassen. Eine Alternative ist den
Intercampi zu benutzen, der die verschiedenen Unistandorte miteinander verbindet, unter anderem das Zentrum mit dem Politecnico. Der Intercampi ist nur für Studenten und das kostenlos. Einen
entsprechenden Nachweis muss man beim Betreten allerdings zeigen. Ansonsten ist das öffentliche Busnetz ausbaufähig. Die Frequenz ist auf manchen Linien nicht sehr hoch und längere Fahrten lohnen
sich nur, wenn man die sogenannten Tubo-Busse nehmen kann, wo man in einer überdachten Station – ohne erneut zu zahlen – umsteigen kann. Gerade abends und nachts erreicht man oft die Treffpunkte
schwer. So oder so hat sich unter den meisten Curitibanern Uber oder 99Pop durchgesetzt, quasi Taxifahren auf Knopfdruck. Zum einen ist das oft nicht viel teurer (gerade in einer Gruppe), zum
anderen bequemer, flexibler. Dennoch habe ich versucht es wenig zu nehmen, da ich aufgrund meines Umweltbewusstseins lieber auf Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen bin. In den
meisten Bussen kann man bar zahlen, in einigen, wie z.B. dem 466 „Estudantes“ jedoch nur mit der Curitbakarte. Diese Chipkarte kauft man am Besten in der Rodoviaria und kann sie dort auch
entsprechend aufladen. Es ist leider etwas kompliziert, ein Kauf der Karte sollte sich aber dennoch lohnen.
Besonders laut, störend und unaufmerksam sind Motorradfahrer, die ienen selbst trotz Ohropax nachts aus dem Schlaf reißen können.
Sport
Die UFPR hat representative Teams in verschiedenen Ballsportarten, wo man sich bei guter Qualifizierung melden kann. Auch außerhalb
gibt es ein kleines Sportangebot, das internationalen Studenten leider kaum vorgestellt wird, zudem ist die Anmeldung recht früh. Diese Informationen habe ich leider erst während des Semesters
von Freunden erhalten. Die Uni hat auch ein Fitnessstudio, bei welchem man sich monatlich anmelden kann, hierzu kann ich jedoch leider keine weitere Auskunft geben. Öffentliche Schwimmbäder in
diesem Sinne gibt es hier kaum bzw. gar nicht, Schwimmbäder sind Teil eines Clubes oder einer academia (Fitnessstudio), wofür man auch für deutsche Verhältnisse teures Geld zahlen muss. Ich bin
letztlich beim Tanzen hängen geblieben. Dafür gibt es einen studentischen Tanzclub, der – meist in der Mittagspause – kostenlose Tanzstunden zu verschiedenen Tänzen wie Samba, Salsa oder Forró
gibt. Es ist etwas sehr freies, was man sich unverbindlich anschauen kann. Hierfür sollte man am Besten frühzeitig in die entsprechende Whatsappgruppe eintreten.
REI
Wie oben bereits erwähnt ist REI eine Gruppe von Brasilianern, welche den Austauschstudenten oder neu zugezogenen hilft sich zu
integrieren. Besonders in den ersten Wochen lohnt es sich zu den regelmäßigen Stammtischen (aktuell Mittwochs 20 Uhr) zu gehen, um Leute kennenzulernen. REI bietet in der ersten Woche Stadttour,
Kneipentour und eine Hausparty an – leider habe ich davon das Meiste verpasst. Es gibt in der entsprechenden – teils aber sehr nervigen – Whatsappgruppe immer Eventhinweise. Auch kann man nach
dem Schwarmwissen fragen, wenn es um Organisatorisches oder Reisepläne geht.
Versicherung
Eine Auslandskrankenversicherung sollte dringend abgeschlossen werden. Beliebt hierfür HUK Coburg oder STA Travel. Ich habe
jedoch mittels der MLP bei der Barmenia eine sehr günstige Option gefunden, wobei die ersten drei Monate zusammen ca. 15€ gekostet hatten. Eine rechtzeitige Recherche lohnt auch hier.
Essen
Brasilianer essen sehr süß und sehr fettig. Gekocht wird normal auch wenig, man trifft sich oft zum Essen in Restaurants (z.B. auch
der sehr sehr sehr günstigen Uni-Mensa (RU), die pro Mahlzeit 1,30 Reais kostet). Desweiteren sind Buffet-livre (All-u-can-eat) sehr beliebt aber auch sehr gefährlich, sie waren sicher mit ein
Grund warum ich zwischendurch sehr zugenommen hatte. Salgados sind salzige frittierte – meist mit Fleisch gefüllte – Teigtaschen, die gut für einen Verzehr zwischendurch geeignet sind.
Hauptnahrungsmittel sind jedoch Arroz com Feijao (Reis mit Bohnen), was auch in der Mensa täglich angeboten wird. Brigadeiros sind süße Pralinen, Acai ein lekceres Sorbet, Coixinha ein mit Teig
ummanteltes Hühnchen und ein Pastel eine beliebig gefüllte Teigtasche. Aber auch Burger, Pasta sind beliebt. Als Vegetarier wird man es schwer haben, v.a. wenn man zu einem traditionellen
Churrasco (Grillfeier) eingeladen wird. Auch wurde ich seltsam angeschaut als ich zu einem Picknick Paprika und Gurke und nicht Kuchen oder Pizza mitgebracht wurde.
Und wundert euch nicht, wenn eure Freunde hier auch nach dem Mittagessen Zähne putzen gehen, sondern schließt euch dem einfach an, es ist eine gute Gewohnheit.
Politik
Politisch gesehen war besonders die erste Semesterhälfte sehr angespannt, da die Wahlen bevorstanden, die der als rassistisch und
rechtsextrem geltende Jair Bolsonaro gewonnen hatte – v.a. durch Unterstützung von Militär und evangelikalen Kirchen. Es bleib abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, allerdings geht schon
heute ein tiefer Spalt durch die Gesellschaft, die politisch sehr polarisiert ist.
Stadt (Wetter, Sehenswürdigkeiten…)
Die Stadt ist nicht gespickt mit typischen Sehenswürdigkeiten, hat aber v.a. eine Vielzahl an Parks zu bieten, die aber je ein ganzes Stück außerhalb liegen und eine längere Anreise (bergig mit
dem Fahrrad) erfordern. Zu den Wahrzeichen gehört das MON/Auge, ein wunderschönes architektonisches Gebäude, deren Zugang mittwochs immer kostenlos ist und besonders für spezielle Kunstliebhaber
empfehlenswert. Der ehemalige Mobilfunkturm Torre Panoramico bietet eine tolle Aussicht und ist sicher auch für einen Sonnenuntergang eine empfehlenswerte Adresse.
Allgemein ist das Klima und Wetter sehr mild. Im August/September kann eine warme Jacke nicht schaden und es hat selten über 10 Grad, im November/Dezember sind 25-30 Grad nichts unübliches und es
wird schnell schwül. Auf Regen sollte man immer vorbereitet sein, weshalb die Stadt auch liebevoll „Chuvichiba“ genannt wird. Es empfiehlt sich wenige Klamotten mitzunehmen und die restlichen in
Second Hand Läden (Brecho) zu erwerben.
Auf jeden Fall sollte man einmal sonntags auf die Riesige Feria am Largo da Ordem gehen, wo von Handwerk über Essen bis hin zu Antiquitäten alles verkauft wird – z.b. auch portugiesische
Literatur.
Weitere Reiseziele
Für Wochenendausflüge sind besonders folgende Ziele beliebt: Foz de Iguazu, Florianopolis – kurz Floripa, Ilha de Mel, Superagui, Rio de Janeiro, Vila Velha… Es kann auch sehr zu Wanderungen geraten werden. Ich habe den Morro do canal bestiegen, die Ruta Itupava gewandert, die Anhanguava gewandert und zu den 13 Cachoeiras gefahren. Dazu gibt es mehrere Anbieter, am Besten organisiert man es jedoch mit einer kleinen Gruppe selbst.
Zu guter Letzt:
Zu guter Letzt: Denkt daran, dass die Zeit schneller vorbei sein wird, als euch lieb ist! Und ich würde mich freuen, wenn ihr euch – wie ich – auch für mehr Nachhaltigkeit, weniger Plastikkonsum
und viel Mitmenschlichkeit einsetzt. Auch auf eine Frage: Woher kommst du kann gerne mal mit Erlangen, Europa oder „ich bin ein Bürger der Welt“ geantwortet werden. Denn eines haben die Leute,
die ich hier kennengelernt habe: viele Klischees, Vorurteile und Nationenvergleiche. Auch wenn ich nach Vergleichen gefragt wurde, habe ich immer nur gesagt: Ich kann Erlangen oder München mit
Curitiba, aber nicht Deutschland mit Brasilien vergleichen. Dafür gibt es viel zu viele unterschiedliche Kulturen innerhalb eines Landes – besonders eines Landes der Größe Brasiliens.
Ein weiterer Tipp ist: genügend Hygieneartikel wie Duschgel, Zahnpasta, Deo oder Sonnencreme in Deutschland kaufen, denn die sind sehr teuer hier, desweiteren hat man dann den Vorteil mehr Platz
für anderes am Rückweg zu haben.
Es wird übrigens schnell etwas als perigroso (gefährlich) bezeichnet. Der inflationäre Gebrauch dieses Wortes hat mich die Einheimischen nicht mehr Ernst nehmen lassen und ich dachte sie hätten
ein verzerrtes Bild von allem. Das mag schon sein, aber ich habe nun verstanden, dass das Wort anders benutzt wird. So ist z.B. eine nasse Straße perigroso, eine Wanderung perigroso. Wenn wir im
deutschen sagen würden „man muss aufpassen“/“Sei vorsichtig“ wird hier eben gesagt „es ist gefährlich“, während im deutschen gefährlich mehr als Synonym für lebensgefährlich verwendet wird.
Dennoch hat jeder Austauschstudent von irgendeinem Überfall gehört, auch wenn die Wahrscheinlichkeit als umsichtiger Mensch eher gering ist und man mehr die negativen als positiven Geschichten
hört und erzählt bekommt. Passt also auf euch auf, nehmt aber nicht alles zu Ernst.
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