Am Sonntag stand ich rechtzeitig auf, um den Bus nach Wien ja ned zu verpassen. Ich war eigentlich noch völlig fertig – warum verrate ich ned :P
Ich hatte aber sehr großzügig geplant, da ich nicht wusste, ob ich den Busbahnhof finde und ich die Fahrzeit mit der Metro ned so ganz einschätzen konnte. Die Folge war ich war eine Stunde vor
Abfahrt da. Da hätte ich doch noch ne halbe Stunde schlafen können :/
Leider konnte ich nicht allzugut schlafen im Bus, was v.a. Gedanken geschuldet war. Krass fand ich auch, dass an der Grenze von Ungarn nach Österreich es wieder krasse Kontrollen gibt. Ich dachte
es gäbe Schenggen?? Die Beamten sammelten alle Ausweise ein und verschwanden für eine halbe Stunde. Das hatte ich so noch nie erlebt…
An der Metrostation der Bushaltestelle Richtung Unterkunft begegnete ich noch zwei Argentiniern aus – wo wohl – ja genau, Buenos Aires. Die beiden haben auch zwei Kinder in meinem Alter und wir
tauschten Kontakte aus, nachdem ich ihnen mit dem Ticketautomat geholfen hatte. Sehr cool, ich freue mich immer solche Menschen kennen zu lernen.
Angekommen bin ich um ca. 16h im Priesterseminar in Wien. Ich besuche hier den Korbinian, den ich letztes Jahr bei der Primiz (das ist für kath. Priester die erste Hl. Messe, die oft mit einer
Hochzeit verglichen wird) von einem anderen Freund kennenlernen durfte. Wir verstanden uns sehr gut und trafen uns auch in Krakau beim Weltjugendtag wieder. Wir wollten uns besser kennenlernen,
unsere Lebensgeschichten austauschen und ich wollte seinen Glauben weiter kennen lernen. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir für drei Tage den bisher luxuriösesten Schlafplatz meiner Reise
(alleine im Zimmer, ein eigenes Bett) organisiert hat.
Bevor ich weiterfortfahre, was für Themen wir diskutiert hatten, worüber wir uns die letzten Tage intensiv unterhalten haben, im Garten, während eines Spaziergangs und beim Laufen, ein wenig
Hintergrundwissen:
Schon als Kind wurde ich christlich erzogen, es war obligatorisch, dass wir zu Kommunion und Firmung gehen – und ich hatte das nie hinterfragt, denn es war üblich. Als wir noch kleiner waren,
haben wir mit den Eltern zu Tisch gebetet und auch vor dem Schlafen gehen – alles normal, es war halt so. Ich ging zur Kommunion, wurde Ministrant. Alles normal, es war halt so. Hinterfragt was
das alles ist habe ich nie so wirklich. Es war normal und üblich, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Später ging ich auch mehrmals, weil ich die Leute traf oder vielleicht auch weil ich sonst
nichts zu tun hatte. Das Schöne an der Kirche und der Gemeinde war, jeder hat einen absolut genommen wie man war, jeder war gleich behandelt, egal was man geschafft hatte im Leben, erfahren
hatte, jeder wurde genommen wie er war. Mit 16 Jahren wurde ich in die sogenannte Leiterrunde aufgenommen. Das ist in meiner Heimatpfarrei ein Leitgremium für Jugendarbeit, für Ausflüge,
Zeltlager und Jugendgottesdienste. Ich habe da mitgemacht, es war normal, es war halt so. Mir hat die ganze Arbeit unheimlich Spaß gemacht, ich bin darin aufgegangen, habe mich entwickelt und
viel nützliches fürs Leben gelernt. Ich habe aber dadurch nicht unbedingt einen Zugang zum Glauben, zu Gott, Jesus oder was es sonst da geben soll, wirklich bekommen. Ich habe viel mehr einen
Freundeskreis gehabt, mit dem man wochenends Veranstaltungen organisierte, viel gemeinsam erlebte. Es war normal, es war halt so. Ich fand es immer cool, Leuten zu begegnen, die ähnlich
aufgewachsen sind, aber ich denke nicht, dass es da immer um Glauben, als viel mehr um eine Jugendgruppe ging.
Selbst als ich nach Erlangen bin – meine Aktivität in der Heimat ging deutlich zurück – meinte ich, dass ich das nicht so weiter brauche. Ich ging dennoch recht regelmäßig wochenends in den
Gottesdienst, es tat mir gut, ich kam zur Ruhe, ich war es gewohnt. Und nichts ist für einen Menschen wichtiger als Regelmäßigkeiten, Gewohnheiten. Das ist so eine Art Fangnetz, das da ist, wenn
alles andere kaputt geht. Ich war es gewohnt, fand es schön, eine schöne Tradition und einen Ort, wo ich mich sammeln konnte, zur Ruhe kommen konnte und – das kann ich nicht leugnen – Kraft
sammelte.
Die Sehnsucht mehr über Glauben und Kirche kennenzulernen kam vor knapp einem Jahr. Ich war zu der Primiz eines Freundes eingeladen, was mich sehr gefreut hat. Es war ein unheimlich emotionales
und schönes Wochenende – auch für mich. Ich wurde mitgerissen, erlebte einen noch nie dagewesenen Flow. Ich begegnete vielen Leuten, die meinten zu Gott gefunden zu haben, zu glauben. Eine
unheimliche Kraft erlebte ich auch beim Lobpreis, den wir am Morgen der Primiz gemeinsam sangen. Diese Freude, diese Lieder, diese Stimmung, es war einmalig. Zudem begegnete ich Korbinian, ein
junger Mann, der Priester werden will. Er erzählt mir schon dort, dass er als Jugendlicher nichts von Gott und Glauben hielt, dass er die alle für Spinner hielt. Doch durch ein paar zeitlich
aufeinanderfolgende Ereignisse hat er selbst zum Glauben gefunden, und zwar so tief und fest, wie ich sonst gefühlt wenige Menschen bisher kannte. Er selbst berührte mich, seine Geschichte
berührte mich (Genauso wie die Geschichte von Rohan, dem Mann aus Indien, der seine Priesterweihe feierte). Leute die nicht viel jünger sind als ich, lange nicht viel mit Glauben in Kontakt kamen
und alle für Spinner hielten, jedoch irgendwie „bekehrt“ wurden. Das hat mich mitgerissen, mir Fragen aufgeworfen, die ich aber alsbald im Alltag immer weiter wieder überdeckte. Irgendwas begann
zu arbeiten. Ich wollte schon zuvor unbedingt auf den Weltjugendtag in Krakau, hat es doch die Jahre zuvor in Madrid und Rio nie geklappt. Ich wollte unbedingt, und ließ sogar dafür zwei
Klausuren ausfallen, schob Fächer, nur um die Erfahrung am Weltjugendtag zu machen. Und was soll ich sagen? Es war eine so unheimliche Kraft, so eine Freude, so eine tolle internationale
Gemeinschaft. Wir wollten alle nicht mehr weg. Anfangs fragten wir uns, ob es wirklich sein muss, jeden morgen einen Gottesdienst zu feiern… Irgendwann gingen wir tagsüber selbst in die Kirchen
der Stadt und sangen Lieder, sprachen Gebete. Wir begegneten tausenden von Leuten aller Nationen. Offenheit und kennenlernen war nie einfacher. Uns alle verband auch schon eins: Religion,
Christentum. Und vlt auch Gott und Jesus? Ich konnte und kann noch immer schwer mit diesen Begriffen umgehen. Aber es trieb mich etwas an. Fast zwei Millionen Jugendlichen feierten Ihn: Jesus (ok
oft wurde eigentlich der Papst und sein Auftreten mehr gefeiert, als das Christentum, doch dazu später mehr) Krass, oder? Sind die wirklich alle leichtgläubig oder verzweifelt und unglücklich mit
ihrem Leben? KA, ich erlebte auf jeden Fall eine unheimliche Stimmung, nie war ich so gut drauf, nie wollte ich so feiern und tanzen und singen, außer ich hatte ein wenig Alkohol getrunken. Doch
das war nicht nötig, ich wollte es auch gar nicht. Es war eine Dynamik, eine Kraft, eine Freude da, die ich so noch nie gespürt hatte. Ich ging auch zu Beichte, was bei mir normalerweise eine Art
Lebensgespräch ist, eine Reflexion über Erlebtes, Wünsche und Impulse für die Zukunft. Der dortige Priester, mit dem ich sicher zwanzig Minuten redete, er gab mir den Impuls mit, mehr nach Gott
zu suchen, auch im Alltag, täglich sich Zeit für ein Gebet am Morgen zu nehmen und vielleicht mal Gemeinden und Gruppen im Studium anzuschauen. Ich hatte es mir fest vorgenommen, ich wollte das,
was ich erlebt habe, mit in den Alltag nehmen. Die Kraft, die ich gespürt habe, die Freude. Doch auch das versandete nach wenigen Wochen mehr oder weniger. Die Erinnerungen waren da, Kontakte zu
einigen Leuten bestanden, man schaute sich die Videos an, hörte sich viele coole Lieder nochmal an, aber irgendwie verpuffte das alles im Alltag. Ich fiel in Erlangen bald wieder in ein richtig
krasses Loch, wie ich es schon vor dem Weltjugendtag erlebt hatte. Ich hatte zu kämpfen am Anfang mit meiner Bachelorarbeit, wollte zwei Fächer nebenherbelegen, hatte zwei Hiwijobs, war noch
aktiv in einer Hochschulgruppe und half bei einem großen, genialen Projekt, das ich schon zweimal geleitet hatte, weiter. Ich wollte mein Auslandssemester planen, doch ich war nicht glücklich,
kam nicht zur Ruhe und meine Stimmungskurve war fast äquivalent mit der eines EKGs. Ein Auf und Ab. Im Durchschnitt ging es mir solide, doch ich hatte krass negative Zeiten und echte Höhepunkte.
Ich konnte nicht mehr. Entschied mich, so nicht weitermachen zu wollen. Ich nahm mir eine Auszeit, sagte alle Treffen ab, brach Kontakte ab, schaltete mein Handy aus. Ich wollte in mich
hineinhorchen, mich kennenlernen, nach meinen eigenen Sehnsüchten fragen. Ich wollte nicht im Strom mitschwimmen, ich wollte zur Ruhe kommen. Die Zeit verging schnell, mir ging es echt besser, in
der Ruhe, ohne ständig erreichbar und unterwegs zu sein, ohne einfach abends mal ein Bier zu trinken. Ich hatte eine OP Mitte Dezember und fühlte mich nicht mehr einsam, wenn ich alleine war. Ich
entschloss mich sogar, Silvester alleine zu verbringen, und es war so cool. Ich hatte Kraft, hatte Lust und viele positive Energien.
In der Zeit machte ich noch eine Jugendwallfahrt über einen ganzen Tag und über 40 km mit. Auch die Tat mir so krass gut, die Impulse, die Gespräche. Ich habe auch einigen meine Probleme mit
Jesus und Gott erzählt und es war alles so offen, ein cooler Austausch. Auch der hat mich nochmal richtig gepuscht. Nach all den Erfahrungen, entschloss ich im Januar, mir die Hochschulgemeinden
wirklich mal näher anzuschauen. Nach zwei bis drei Wochen blieb ich in der smd (http://smd-erlangen.de/) hängen. Ich wurde so herzlich aufgenommen, fand
schnell Kontakte, hatte Raum meine Fragen und Zweifel zu stellen. Die Gruppe und Gemeinschaft fand ich sau cool, man konnte nix falsches sagen. Am meisten imponierten mich die Sing&Pray
Abende, coole neue Lieder, Zeit für Gebete. Ich lernte auch einiges andere – für mich Fremde kennen. Miteinander in der Bibel zu lesen, darüber zu reden. Ich war offen für alles und probierte es
aus. Es war irgendwie cool. Die Art zu Feiern, die Art zu Beten. Miteinander in Kleingruppen zu beten, füreinander Fürbitte zu halten. Über Zweifel, über Glauben zu sprechen. Ich redete auch
außerhalb der Gruppe mit den Mitgliedern über den Glauben, z.B. mit Magdalena beim Pizzabacken. Es war cool, die Erfahrungen vom Glauben zu hören. Ein weiteres cooles Ding fand ich, dass viele
Studenten aus ihrem Alltag berichteten und Zeugnisse ablegten. Ich ging in den Film „die Hütte“ (https://www.youtube.com/watch?v=I6ABeqgFSks) , aus dem ich tränend überströmt herauslief, er hat mich sehr berührt. Ich fand solche
Gottesbegegnungen krass. Wenn Leute voller Emotionen aus ihrem Leben berichtet haben, ihre geschenkte Kraft. Doch war das alles? Nein, überzeugen konnte es mich nicht. Meine Zweifel blieben.
Zumal hatte ich den Eindruck, dass viele eine rosarote Brille aufhatten, nichts mehr links und rechts sahen, nur mit Leuten Kontakt hatten, die gläubig waren (was natürlich den Glauben stärkt,
aber nicht erkennen lässt, dass es evtl. etwas anderes geben kann). Ich ging zur ESG zu einem Abend über „Glauben und Zweifel“ und merkte auch dort, dass viele einiges nicht hinterfragt hatten.
Ich kreuzte auf einer Karte alles an, was ich bezweifelte, und das war fast alles. Ich kann mir keine Jungfrauengeburt vorstellen, keine Auferstehung, keine Wunder… Es gab zwar gute Gespräche,
die für mich wichtig und weiterführend waren. Doch meine Fragen wurden nicht wirklich beantwortet. Ich GLAUBE, ich habe den anderen mehr ZWEIFEL beschert, als mir Antworten geholt. Doch eines für
mich wichtiges wurde an diesem Abend klar. Glaube kann nicht ohne Zweifel bestehen, wie Tag nicht ohne Nacht, Gutes nicht ohne Böses, Freude nicht ohne Leid. Ich glaube ich war auf der Suche nach
dem Geheimnis ein Stück weiter. Doch beantwortet wurden meine Fragen nicht. Ich hatte viele Fragen zum Christentum, zu den Institutionen der Kirche, zum Verständnis. Ich bezeugte immer, dass das
Christentum für mich gute Moralvorstellungen hat, Nächstenliebe, Vertrauen, Vergebung. All das lernte ich schon von Kindheit auf, all das fand ich gut. Ich fand Christsein also als eine gute
Lebenseinstellung – rein wertemäßig. Doch was steht dahinter?
Auch die Ostertage, die ich in den ökumenischen Gottesdiensten der KHG und ESG miterlebte, gaben mir Aufwind, zeigte mir einen anderen Blick auf das Fest, denn ich war zuvor nur meine
Heimatgemeinde gewohnt. Eine ungewohnt frische Art zu feiern war das. In der Osternacht gab es zwei Taufen von jungen Afrikanern – ich glaube sie kamen aus Kamerun – die ihre Lieder und
Traditionen mithineinbrachten. Am Ende vom Gottesdienst standen nur alle tanzend in der Kapelle und es wurde echt gefeiert. Sowas mag ich, nicht so steif wie immer in Deutschland.
Zudem habe ich im letzten Jahr den Blog „Valerie und der Priester“ (https://valerieundderpriester.de/) ziemlich verfolgt, wo eine bekennende Nichtchristin ein Jahr lang einen katholischen Priester begleitet hat. Ich erkannte
mich in vielen Fragen wieder, suchte den Dialog, fand aber meine Antworten auch hier nicht.
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