Kapitel 3, Vers 7-8: David gegen Goliath

 

Am Samstag, 6.5. gönnten wir uns einen langen Schlaf und standen erst um ca. 12h auf, nachdem wir den Abend zuvor mit den weiteren Mitbewohnern doch ein wenig länger gefeiert haben. Nach einem Frühstück machten wir uns beide auf, die für Valencia sehr bekannte "Ciudad de Artes y Ciencias" (dt. Stadt der Künste und Wissenschaft) zu besuchen. Nachdem ich schon Bilder gesehen hatte, war ich richtig gespannt auf diesen modernen, futuristischen Gebäudekomplex in live zu sehen. Und ich muss sagen, es hat mich trotzdem ein wenig umgehauen, als ich diese Gebäude gesehen habe. (http://www.cac.es/es/home.html)Da sagt mal einer nur alte Gebäude sind schön und es wert, besichtigt zu werden. Nein, ich denke man muss Mut haben, auch in der heutigen Zeit. Mut haben, Geld in die Hand zu nehmen und solche schönen Gebäude zu bauen und nicht nur Einheitsbrei. Ich war richtig begeistert von der Architektur, der Umgebung und dem ausstrahlenden Flair. Einige Kinder und Erwachsene probten sich darin im Ball auf Wasser zu gehen, zu rudern etc. Ein schön angelegter Bereich mit Wasser, mitten in der Stadt! Möglich macht das die Turía, besser gesagt "machte das". Die Turía war ein Fluss, der mitten durch die Stadt lief, jedoch häufig zu Hochwassern und Überschwemmungen führte. In den 1950er Jahren wurde der Fluss jedoch umgeleitet und so entstand mitten in der Stadt ein riesiger, langer Park. An einem Ende entstand die „Ciudad de Artes y Ciencias“. Wir entschlossen uns dann kurzfristig in das Wissenschaftsmuseum dort zu gehen. Es war zu großen Teilen beeindruckend. So konnte man direkt am Eingang u.a. Küken schlüpfen sehen, Insekten beobachten. Es folgte ein Teil, der uns beide weniger interessierte von Architektur und Archäologie. Im Teil der erneuerbaren Energien verging die Zeit viel zu schnell, ich habe dort sowohl Vokabular auffrischen können, wie neue Informationen sammeln können. Auch der Teil zur Raumfahrt war sehr interessant. Für den letzten Teil des Museums über Medizin, nahmen wir uns nochmal gut Zeit. Nach gut drei Stunden waren wir gesättigt von Wissen und Information, auch wenn man sicherlich deutlich länger dort hätte verbleiben können. Dieses Museum (http://www.cac.es/es/museu-de-les-ciencies/museu-de-les-ciencies/descubre-el-museu.html) ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert!
Da die Zeit so schnell verging, aßen wir erst um 17.00 zu Mittag :D In der Folge nahmen wir uns Zeit für Spaziergänge in der Stadt und redeten viel über Wissenschaft, Technik und über unser Leben.
Zum Schluss stießen wir noch auf ein Volksfest, die sogenannte „Fería de Cataluna“, wo wir traditionelle Tänze sahen, und uns Churros, ein spanisches Gebäck gönnten. Sehr empfehlenswert! (V.a. sind die Preise auf den Volksfesten lang ned so hoch wie in Deutschland gewohnt)

 

Während unseres Besuches in der Ciudad de Artes y Ciencias stießen wir auf den Aufbau des „wings for live runs“ (https://www.wingsforlifeworldrun.com/de/de/), das ist ein weltweit an ca. 30 Städten zur gleichen Zeit durchgeführter Lauf, welcher sich der Wohltätigkeitsstiftung „Wingsforlive“ (http://www.wingsforlife.com/de/) zuwendet. Das besondere an dem Lauf ist, dass er nicht begrenzt ist und jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten versucht zu laufen. Das Ziel ist nämlich mobil. Ein Auto startet 30 Minuten nach dem Start der Läufer und wird während des Laufes immer schneller, bis es alle Läufer eingeholt hat. Die Besten Läufer und Rollstuhlfahrer schaffen dabei 80-90 km, was ziemlich krass ist. Da mein Mitbewohner Tobi letztes Jahr schon an dem Lauf teilgenommen hat, kannte ich das Format und war sehr begeistert davon. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dieses Jahr in München zu starten. Da ich jedoch vor 3-4 Monaten, als mir die Idee kam, schon wusste, dass ich in Spanien sein werde, schob ich die Idee für die nächsten Jahre auf.
Ich war mir zuerst sicher, dass wir den Start verpasst hatten und die Teams beim Abbau sehen. Nachdem ich am Abend dem Tobi das schrieb, war er verwundert, da der Lauf erst Tags darauf starten werde.
Die Idee zu starten wuchs und wuchs und am Abend davor entschied ich mich, mich am nächsten Tag nachzumelden und zu starten! Eine etwas verrückte Idee, hatte ich doch aus Gepäckgründen die Sportschuhe daheimgelassen und schon länger nicht mehr gscheid trainiert.
Ich ließ es mir dennoch nicht nehmen, am Abend ein wenig mit der WG Karten zu spielen und ein wenig zu Feiern, wenn gleich ich wegen des Laufes früher ins Bett ging.

 

Am Morgen stand ich um 10h auf. Dank Lukas „Rent a bike“ Karte konnte ich schnell und kostenlos zum Rennen fahren. Die Nachmeldung verlief reibungslos und ich schaffte die Kommuikation ziemlich gut in Spanisch. Nachdem die Anmeldung ziemlich schnell ging, hatte ich bis zum Start noch gut zwei Stunden Zeit. Ich leihte mir nochmal das Fahrrad (immer 30 min am Stück sind frei :D ) und radelte durch den ganzen Park, genoss die Sonne, das Wetter und den echt coolen Flair. Während der weiteren Zeit, erkundigte ich mich an den Werbeständen (auf Spanisch) und kam mit ein paar Leuten ins Gespräch. Einige waren extra dafür nach Valencia gereist (ich traf auf Deutsche, Österreicher, Engländer…), andere waren Einheimische, die jedes Jahr in Valencia starteten. Einige nahmen sich sogar vor, jedes Jahr in einem anderen Land zu starten, was ich auch eine coole wie verrückte Idee fand.

 

Um 13.00 ging der Lauf (sp: carrera) los. Ich war mir relativ sicher, dass ich 15km schaffen kann (6.00 min/km) und nahm mir sogar 20km vor (5.24 min/km), was mir nicht ganz unrealistisch schien. V.a. wäre ich dann bei Lukas vor der Haustüre rausgekommen. Die ersten 5km gingen ganz gut, ich lief normal und rund, ohne Probleme. Der Pulk löste sich recht schnell auf, wobei ich keine gute Laufgruppe in meinem Tempo gefunden habe, vlt. Auch weil ich mich einfach nicht traute die Leute anzusprechen. Nach knapp 27km passierte ich die erste Verpflegungsstation, wo ich mir Wasser mitnahm und kurz auftankte. Die Sonne stand jedoch sehr hoch, es war brühendheiß und die Luftfeuchtigkeit war ebenfalls sehr hoch. Die nächsten 10km hatte ich stark zu kämpfen, ich musste immer wieder gehen, suchte jeden Schatten, versuchte mich an Leute ranzuhängen, aber es ging einfach nicht mehr. Das Ziel 20km hatte ich schon abgehakt, es war nicht mehr möglich, für die 15km wollte ich aber Weiter kämpfen. Nach einer guten Stunde erreichte ich die 10 km (34 min auf den zweiten 5km), wo an der Verpflegung das Wasser ausgegangen ist und es nur noch RedBull gab. Letztes Jahr gab es deutlich niedrigere Temperaturen und weniger Läufer, hörte ich die Leute sagen. So blieb mir nichts anderes über, als mich mit RedBull zu stärken und es auch über meinen erhitzen Kopf zu gießen. Ich  bekam irgendwie eine zweite Luft, ein Frischer Wind kam auf, die Motivation stieg nochmal deutlich und so nahm ich nochmal Fahrt auf, auch um die 15km doch noch zu schaffen. Ich fand einen weiteren jungen Läufer ähnlichen Alters, der mit mir ca 1,5-2km im Wechsel zurücklegte, was echt gut tat. Wir holten noch ein paar andere Läufer ein und überholten sie. Doch auch hier konnte ich irgendwann leider nichtmehr mithalten. Nach 11,5 km sah ich im Rückspiegel schon das „Catching Car“, den Goliath kommen. Die Füße wurden schwerer, meine Kondition war weg. Goliath kam näher und näher, ich wollte nochmal wegsprinten, weglaufen, zog nochmal ordentlich an und konnte das Auto somit einige Meter noch weghalten. Doch mein normalerweise gefürchteter, obligatorische Schlusssprint war sehr langsam, die Körner waren weg, Goliath schnappte mich – früher als erwartet. Schon nach 12,56km wurde ich eingeholt.
Gründe dafür waren schnell gefunden, übte ich mich in den letzten Wochen doch schon oft an Ausreden – die Bachelorarbeit war immer eine gute.
Ich habe zuletzt echt wenig trainiert, hatte den Effekt von Laufschuhen deutlich unterschätzt, war aus Zeitgründen mit kleinem Rucksack gestartet, ich war die Temperaturen nicht gewohnt und war letzte Woche sogar ein wenig krank. Was solls, ich habe mein Bestes gegeben und nach kurzem Frust war ich stolz auf mein Ergebnis. Ich traf einige Leute, denen es – v.a. Aufgrund der Temperaturen – ähnlich erging. Da direkt hinter uns die Straßensperre abgebaut wurde und wir den Transportbus nicht fanden, irrte ich gemeinsam mit einer Italienerin umher um den Weg Richtung Stadt zu finden. Wir stellten bald fest, dass wir direkt am anderen Ende der Stadt waren, und mein Zeitplan war straff. Denn ich hatte mit der Sprachschule und Lukas Karten für das Spiel der Division1 gekauft. Zum Glück fand ich bald eine Fahrradstation, womit ich mir mit Lukas Karte ein Rad leihen konnte und den Weg nach Hause in Angriff nehmen konnte. Dort an der Station an der Karte realisierte ich wie weit weg ich wirklich war. Lukas wollte an KM 15 ca. auf mich warten, doch den passierte ich nie. Schade, ich glaube das hätte mir nochmal Antrieb gegeben.
Ich kannte aber bis dato keine Stadt mit einem so großen, gut funktionierenden Bikesharing System wie Valencia (später lernte ich auch in Barcelona, Wien, Budapest, und Madrid welche kennen). So radelte ich los und gab Gas, um noch rechtzeitig zum Spiel zu kommen. Auf dem Heimweg begegnete ich einigen weiteren orientierunslosen eingeholten, welche ziemlich neidisch darauf waren, dass ich mit dem Rad heimfahren konnte. Nach 1h Weg suchen kam ich daheim an, völlig fertig (auch wenn noch ein wenig enttäuscht). Ich konnte nicht mehr normal gehen, so kaputt war ich. Eine Woche lang begleitete mich auch ein Muskelkater, der mir zeigte, dass ich wirklich nicht so fit war, wie in meinen besten Tagen. Das Event war dennoch genial und ich werde sicherlich mal wieder daran teilnehmen! Auch weil 100% der Einnahmen an die Rückenmarkstiftung gehen (in Valencia war ich 717. Von 1225 Finishern).

 

Nach der nötigen Dusche gingen wir auf zum Stadion, das wirklich mitten in der Stadt liegt, wo links und rechts 5m entfernt normale Hochhäuser hochgehen. Sowas hatte ich auch noch nie gesehen. Normalerweise war ich es gewohnt, 2-3h vor einem Spiel loszufahren, hatte man doch einen Anfahrtsweg vor sich und musste mit langwierigen Sicherheitskontrollen rechnen. Das Stadion war jedoch ca. 10-15 Minuten zu Fuß weg gelegen und wir gingen mit der Gruppe der Schule ca. 20 Minuten vor Spielbeginn erst los. Dort erwarteten uns keine wirklichen Sicherheitskontrollen, wie ich es eben gewohnt war, und selbst PET Flaschen durfte man mitnehmen. Mein Tipp war 4:0 für Valencia, was sich lange als perfekter Tipp herausstellte – bis zur Nachspielzeit. (Jetzt weiß ich wie sich die Gegner von Bayern immer fühlen :)) Dort kassierte Valencia noch das 1:4. Während des Spiels lernte ich auch einige spanische Begriffe „fuera del juego“ (weg vom Spiel – Abseits), „tarjeta amarilla“ (gelbe Karte), „delantero“ (Stürmer) oder „poste/larguero“ „Pfosten/Latte“ kennen.
Es war ein cooles Erlebnis, das die Sprachschule da organisiert hatte. Auch beim zweiten Mal David (Osasuna) gegen Goliath (Valencia) hat Goliath gewonnen.

 

Danach ruhten wir uns noch kurz aus, ehe wir mit der WG und Julia (die habe ich in der Sprachschule kennengelernt, da sie dort ein Praktikum machte) zu den „Cien Motaditos“, wo man sehr günstig Essen kann am Sonntag Abend. Es war ein rundum gelungenes, cooles, spontanes Wochenende mit vielen wahnsinnig coolen Eindrücken!

 Der Tag war mal wieder "friamente calculado"

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